Wenn aus Chaos ein Kosmos entsteht Discussion paper, March 2015

Babble, babble; our old England may go down in babble at last […]Chaos, Kosmos! Cosmos, Chaos! Who can tell how all will end?
Read the wide world’s annals, you, and take their wisdom for your friend

Alfred Lord Tennyson’s 1886 ‘Locksley Hall sixty years after’

Das späte viktorianische Großbritannien war besessen von der Idee des Niedergangs, eine Stimmung, die das obige Gedicht von Alfred Lord Tennyson wiedergibt.

Auf mittlere Sicht sollte er Recht behalten. Drei Jahrzehnte später war es vorbei mit dem Status als Großmacht, die Vereinigten Staaten übernahmen.

Diese sind nicht minder besessen von der Idee des Niedergangs. Samuel Huntington macht fünf Wellen aus: die technologische Überlegenheit der Sowjets in den späten 50ern, Vietnam in den späten 60ern, die Ölkrise zu Beginn der 70er, die Invasion Afghanistans Ende der 70er, und der Boom Japans in den späten 80ern.

Glaubt man Umfragen ist die Angst der Amerikaner heute so groß wie nie. Kein Wunder: China wird, gemessen an der Kaufkraft, vermutlich dieses Jahr weltgrößte Wirtschaftsmacht, und die Spuren der Wirtschaftskrise sind noch allgegenwärtig.

Warum nun Chaos oder Kosmos? Im Tagesgebrauch wird der Begriff des Kosmos verwendet um unser Sternensystem zu beschreiben, im Altgriechischen stand Kosmos aber für Weltordnung, militärische Ordnung, staatliche Ordnung.

In der traditionellen Lehre der Internationaler Beziehungen, dem Realismus, sind sich diese Begriffe ähnlich nah: die Grundannahme ist die eines anarchischen Systems, in dem es ums nackte Überleben geht. Daher ist Weltordnung militärische Ordnung.

Nicht zuletzt der globale Siegeszug marktwirtschaftlicher Systeme hat jedoch gezeigt, dass es auch eine andere Art der Ordnung gibt; eine, die von unsichtbaren und nicht von sichtbaren Händen geleitet wird, die Innovationen und Ideen produziert: Netzwerke.

Meine Kernthese sei: die weltpolitischen Entwicklungen der vergangenen zwei Jahrzehnte sind primär aus der Spannung zwischen alten Hierarchien und neuen Netzwerke zu erklären.

Zunächst werde ich beide Begriffe – Hierarchie und Netzwerk – in Kürze erörtern. Anschließend werde ich Spannungen zwischen beiden Ordnungssystemen hervorheben, die die aktuelle Phase der Globalisierung entscheidend prägten und prägen. Zuletzt werde ich in drei Thesen die Rolle des Weltwirtschaftsforums diskutieren.

Was unterscheidet Netzwerke von Hierarchien? Hierarchien gelten als vertikale, Netzwerke als horizontale Organisationsform. Hierarchien gelten als effizient, Netzwerke als dynamisch, oder wie Douglas North es formulieren würde, Hierarchien schaffen “allokative Effizienz” und Netzwerke “dynamische Effizienz”. Beide sind Formen von Ordnung, von „Kosmos“.

Hierarchien und Netzwerke koexistieren nicht einfach. Sie sind verschachtelt und verwoben. Jede Organisation, ob Familie, Unternehmen oder Staat besteht aus Hierarchien. Und dennoch folgt Interaktion häufig anderen Mustern.

Eine Firma, in der ich nicht direkt mit meinem Kollegen kommunizieren kann, sondern meine Nachricht an meinen Chef schicke, der sie an seinen Chef weiterleitet, der sie an den Chef meines Kollegen weiterleitet, der sie an meinen Kollegen weiterleitet wäre schnell pleite. Daher schützen und fördern Hierarchien Netzwerke.

Aber, um beim Beispiel der Firma zu bleiben, es gibt immer Leute, die besser vernetzt und somit besser und früher informiert sind als andere. Die, die im Zentrum des Netzwerks stehen sind nicht immer jene, die an der Spitze der Hierarchie stehen.

In anderen Worten, auch in Netzwerken existiert Macht. Ihre Verteilung folgt aber oft eigenen Gesetzmäßigkeiten. Daher fürchten Hierarchien auch Netzwerke, versuchen sie zu steuern, zu kontrollieren, und schlimmstenfalls zu zerstören.

Die Dynamik, die aus diesem Spannungsverhältnis resultiert, ist der Stoff, aus dem Geschichte entsteht; die Dynamik, die Chaos zu Kosmos und Kosmos zu Chaos werden lässt.

Globalisierung als Spannung zwischen Hierarchien und Netzwerken

Die Zeit nach Ende der Sowjetunion bedeutete in den Teilen der Welt, wo sie als Ordnungsmacht agierte, Chaos. Global gesehen jedoch resultierte der Kollaps der Sowjetunion in einem seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht dagewesenen Zustand der Ordnung.

Die USA waren unangefochtene Ordnungsmacht; der Triumph war so umfassend, dass Francis Fukuyama in einem viel beachteten Buch vom „Ende der Geschichte“ sprach.

Doch die Vorstellung des Gleichgewichts, entnommen der reinen Lehre der Marktwirtschaft, ist verfehlt. Henry Kissinger sagte einmal: „history knows no plateaus and resting places“. 9/11, die globale Finanzkrise, und der unaufhaltsame Aufstieg Chinas scheinen ihm Recht zu geben.

Das Ende der Sowjetunion stieß eine intensive Phase globaler wirtschaftlicher Integration an, die auch als Hyperglobalisierung bezeichnet wird, um sie von den Expansionsschüben der zweiten Industriellen Revolution und den Nachkriegsjahrzehnten abzugrenzen.

Angetrieben vom Ende des kalten Kriegs und rasantem Fortschritt kam es zu mehr Wachstum aber auch mehr Gefahren, die Staaten alleine nicht mehr meistern konnten.

David Held, Professor an der London School of Economics, spricht vom Globalisierungsparadox: „die Welt braucht mehr Koordination als je zuvor aber Staaten sind immer weniger in der Lage diese zu bieten“. Je tiefer die Integration, desto schwieriger wird Ordnung.

Joschka Fischer hat einmal gesagt, einer seiner größten Schocks sei die Entdeckung gewesen, dass all die beeindruckenden Regierungspaläste leere Orte sind; dass die imperiale Architektur von Regierungssitzen überspielt wie limitiert die Macht derer ist, die dort arbeiten.

Man kann dies auf nationale Bürokratie zurückführen oder auf „Führungsschwäche“. Ich würde aber behaupten, dass globale Akteure und Netzwerke einen Entscheidenden Anteil an der Schwächung traditioneller Hierarchien haben.

Drei Spannungen gilt es zu verstehen:

(1) Die Spannung zwischen „öffentlich“ und „privat“

Hyperglobalisierung ist geprägt zwar nicht von der Entstehung, jedoch aber dem massiven Wachstum globaler Unternehmen.

Es gibt heute 82.000 multinationale Unternehmen. 47 der 100 größten Organisationen sind nicht Länder, sondern Firmen. Gemeinsam erzeugen sie 80% der Industrieproduktion.

Hinzu kommen ca. 35.000 Internationale Nicht-Regierungsorganisationen, die in ärmeren Teilen der Welt oftmals die Rolle von Staaten ersetzen. Am anderen Ende des Spektrums gibt es kriminelle und terroristische Netzwerke, die Staaten unterwandern.

Entscheidend ist, dass diese Akteure nicht die Souveränität von Nationalstaaten angreifen, also ihr verbrieftest Recht über ein Territorium zu verfügen, sondern ihre Autonomie beschränken, also ihre Fähigkeit Entscheidungen umzusetzen.

In einer globalisierten Welt wird der Staat nicht obsolet aber er ist gezwungen sich zu wandeln. Inge Kaul spricht von der Wandlung vom „Interventionist“, also vom „eingreifenden“ Staat zum „Intermediary“, also zum „vermittelnden“ Staat.

Der Staat wandelt sich von einem Aggregator zu einem Mediator, von einem freien Akteur zu einem, der bestimmt wird von Wirtschaft und Zivilgesellschaft, der seine Ziele dem Diktat der Wettbewerbsfähigkeit unterstellen muss.

Die Entstehung des Forums war ganz entscheidend von dem Wachstum globaler Unternehmen geprägt. Die zivilgesellschaftliche Gegenbewegunge Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre hat das Forum so wie andere Organisationen – zumindest was das Ausmaß der Proteste angeht -überrascht, schockiert, und wie ich erörtern werde, verändert.

(2) Die Spannung zwischen „West“ und „Ost“

Ein wichtiges Kennzeichen der heutigen Globalisierung ist die Rolle von Entwicklungsländern. In der ersten Phase wirtschaftlicher Expansion vor dem ersten Weltkrieg floss Kapital vornehmlich von der „alten“ in die „neue“ Welt – die Vereinigten Staaten.

In der zweiten floß Kapital vornehmlich aus den Staaten in das zerstörte Europa und später nach Japan. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion floß es dann in große Entwicklungsländer, insbesondere in Asien. Im Ergebnis kommt mehr als die Hälfte des globalen Wachstums der letzten zwanzig Jahre aus Ländern wie Indien und China.

Dies ist eine fabelhafte Geschichte. In China sind mehr als 400 Millionen Menschen der Armut entflohen seit Deng Xiaoping’s Reformen. In Indien ist die Armut von 50% auf 20% gefallen, und unter den seit der Jahrtausendwende am schnellsten wachsenden Ländern der Welt sind sechs auf dem Afrikanischen Sub-Kontinent.

Eine weitere, erst seit der internationalen Finanzkrise wirklich in den Vordergrund tretende Konsequenz dieser Dynamik ist jedoch eine Verschiebung wirtschaftlicher Macht.

Chinas Wirtschaft ist heute beinahe so groß wie die von Europa und die der USA, und hat sich massiv abgesetzt von der Japans. Russland ist ökonomisch weit abgeschlagen hinter China im Osten und einem (zumindest aggregiert betrachtet) dynamischen Europa im Westen.

Daraus resultiert eine simple Dynamik: aufstrebende Kräfte bewegen sich in Institutionen, die von heutigen Kräften geschaffen wurden. Je kraftvoller sie werden, um so mehr stellen sie diese in Frage – auch, weil sie es sich immer mehr leisten können.

Auch der Hegemon fragt sich, ob die Wirtschaftsordnung, die er über Jahre gefördert hat, noch in seinem Interesse ist. Im Zweifelsfall verfällt er in Großmachtgebahren. Ein Sprichwort im späten viktorianischen Großbritannien war: “Britain waives the rules to rule the waves”.

Nicht wenige vergleichen die heutige Zeit mit der, aus der dieses Sprichwort stammt, dem frühen 20. Jahrhundert. Damals führte der scharfe Wettbewerb von Hierarchien über die Kontrolle von Netzwerken zu ihrer totalen Zerstörung.

Ein Kosmos, der den damaligen Zeitgenossen als unerschütterlich galt, stürzte ins Chaos.

Viele argumentieren heute, dass tiefere institutionelle Vernetzung und geringere ideologische Differenzen eine derartige Katastrophe weniger wahrscheinlich machen.

Dennoch ist es möglich, dass auf eine zweieinhalb Jahrzehnte dauernde Expansion eine Phase der Stagnation folgt, vergleichbar mit der der 70er und 80er Jahre.

(3) Die Spannung zwischen „Organisation“ und „Individuum“

Die dritte große Transformation ist der Aufstieg von uns, dem vernetzten Menschen.

In dem ersten Jahrzehnt des Millenniums galt der Fokus der organisierten Zivilgesellschaft. Im zweiten gilt er, unter anderem ausgelöst von „Wikileaks“ und dem Arabischen Frühling, dem vernetzten Individuum, das sich spontan organisiert und ganze Staaten herausfordert.

Es ist vermutlich das intuitivste Beispiel von Spannung zwischen Netzwerken und Hierarchien: die digitale Revolution wird als ähnlich wichtiger Wachstums- und Wettbewerbsfaktor wie die Dampfmaschine oder die Elektrizität betrachtet. Hierarchien fördern sie daher.

Gleichzeitig erodiert das digitale Netzwerk jedoch auch die Autonomie dieser Hierarchien, und damit meine ich genauso Staaten wie Industrien.

Verschiebt sich Macht also von Organisationen zu Individuen? Das zu behaupten wäre voreilig. Traditionelle Kräfte kämpfen mit aller Macht um die Vormacht in der digitalen Welt, versuchen sie zu überwachen und einzugrenzen.

Vermutlich gilt: der Kampf um die Dominanz des Netzes wird keinen Sieger hervorbringen aber möglicherweise einen Verlierer: das Netz selbst.

Ende oder Neudefinition von Macht?

Entlang dreier Achsen wetteifern also heute Hierarchien mit Netzwerken – öffentlich und privat, West und Ost, sowie Organisation und Individuum.

Die Konsequenz, fürchtet Moises Naim in “Das Ende der Macht“, könnte der Weg vom Kosmos ins Chaos sein. „Wir erleben nicht die Verschiebung von Macht sondern den Zerfall von Ordnung“.

Meines Erachtens sind derartige Thesen ähnlich wenig plausibel wie solche vom Ende der Geschichte. Macht endet nicht aber sie ändert sich:

Führung in einer vernetzten Welt ist nicht mehr primär die Eigenschaft an der Spitze einer Hierarchie zu (be)stehen, sondern im Zentrum eines Netzwerkes.

So gesehen ist Klaus Schwab, Gründer und Chairman des Weltwirtschaftsforums vielleicht einer der mächtigsten Männer der Welt. Das bringt mich zum Forum.

Es gibt zwei große Irrtümer über das Weltwirtschaftsforum. Der eine ist, dass es in Davos sitzt. Der andere ist, dass wir in den 90ern, der Hochphase der Globalisierung entstanden. Falsch, das Forum gibt es schon seit 1971, seit mehr als 40 Jahren.

Anfang der 70er war die Idee eine globale Begegnungsplattform für Firmen und Regierungen zu kreieren revolutionär – aber nicht verrückt. Zu dem Zeitpunkt der Gründung hatte die Welt zwei Jahrzehnte außerordentlichen Wachstums hinter sich.

Es war eine Zeit, die von einem unerschütterlichen Glauben an technologischen Fortschritt und Technik geprägt war; und Jahre, in denen globale wirtschaftliche Vernetzung wieder erstarkte. Kapital floss in großen Mengen von den USA in das zerstörte Europa.

Es war aber auch die Zeit der Erkenntnis, dass alte Hierarchien weniger effektiv wurden, dass die USA schwächelte. Bob Keohane veröffentlichte 1974 das viel beachtete Buch “Macht und Interdependenz”, das eine komplexer und globaler werdende Welt beschrieb.

Ohne diesen Kontext – die Wahrnehmung der wirtschaftlichen und technischen Überlegenheit Amerikas, und die der sich vertiefenden wirtschaftlichen Interdependenz, die auch den USA das allein regieren unmöglich machte – kann man das Forum nur schwer erklären.

In den vierzig Jahren seit seiner Gründung hat es eine faszinierende Entwicklung durchlebt. Es ist von einem Startup in eine Institution mit 600 Mitarbeitern – verteilt über Büros in New York, Genf, Peking und Tokyo – gewachsen.

Was macht das Forum so erfolgreich in dem was es macht? Ich behaupte es sind drei Faktoren:

(1) Es liefert einen Gegenentwurf zum kruden Realismus: in der Förderung einer globalen Gemeinschaft verkörpert es die Idee des „Global Citizenship“.

(2) Es liefert einen Gegenentwurf zum alten Clubmodell Internationaler Organisationen, verkörpert in seiner “Multi-Stakeholder“ Philosophie.

(3) Es liefert einen Gegenentwurf zur trägen internationalen Bürokratie, verkörpert in dem Motto „Entrepreneurship in the Global Public Interest

Ein Gegenentwurf zum kruden Realismus

Der politische Realismus, wie zuvor erklärt, nimmt an, dass das internationale System keine Werte und keine Gemeinschaft kennt. Daher „System“ und nicht „Gemeinschaft“.

Auch Schwab fokussierte sich zunächst nicht auf die internationale, sondern die Europäische Gemeinschaft. Das Forum hieß erst Ende der 80er „World Economic Forum“. Zuvor war es das „European Management Forum“.

Das Ende des Kalten Kriegs gab der Vorstellung einer Weltgemeinschaft neuen Auftrieb. Schwab war einer der ersten, die dies erkannten.

Die Gemeinschaft – Community – ist das Kernkonzept des Forums. Das Forum ist keine Konferenz, sondern ein Netz von Communities organisiert in Regionen, Industrien, Initiativen und anderen Gruppierungen. Darin findet ein reger und regelmäßiger Austausch statt, nicht nur während globaler und regionaler Treffen, sondern auch virtuell.

Eines der ältesten Beispiele sind die Informal Gatherings of World Economic Leaders in Davos; informelle Treffen zum Ideen- und Meinungsaustausch von Staats- und Regierungschefs, sowie manchmal Ministern und großer Unternehmen.

Was macht IGWELs besonders: keine Berater, kein Protokoll, keine Presse. Verschiedene Initiativen sind so entstanden, wie zum Beispiel das Freihandelsabkommen NAFTA oder die Idee zum „Earth Summit“ in Rio, 1992.

Auch außerhalb von Davos ist das Forum Plattform informeller Gespräche: im September trafen sich im Haus von Schwab Wirtschaftsvertreter Russlands, Deutschlands, der USA und der Ukraine um über ein Ende der Krise zu beraten.

Das Forum ist seit Jahren auch engagiert im Nahost-Friedensprozess. 1994 betraten Peres und Arafat Hand in Hand die Bühne des Kongresszentrums in Davos und schürten Hoffnungen auf Frieden. Der Rückschlag erfolgte 2001 kurz nach Camp David als Arafat die selbe Bühne für einen seiner schärfsten Angriffe auf Israel nutzte.

Während meines Studiums habe ich mich viel befasst mit den Ideen von Peter Haas, der das Konzept der „epistemic community“ Entwickelte, mit der „English School“, die die Idee der internationalen Gemeinschaft prägte, mit Herrn Matobas Kursen zur Überwindung kultureller Barrieren, und mit der Institutionenökonomie von Douglas North.

All diese Ideen fließen in die tägliche Praxis des Weltwirtschaftsforums ein.

Von zentraler Bedeutung ist dabei Vertrauen. Oft bringen wir Akteure zusammen, die nicht einander, wohl aber dem Forum vertrauen. Und wie das so ist, wenn man entdeckt, dass man einen gemeinsamen Partner hat, beginnt manchmal eine eigene Verbindung.

Ein zentraler Faktor im Schaffen von Vertrauen ist unser Status: das Forum ist unabhängig, unparteiisch, und nicht an spezielle Interessen gebunden.

Ein Gegenentwurf zum traditionellen Clubmodell

Die zweite Säule des Erfolgs ist die „Multi-Stakeholder Philosophie“: das Forum gilt als exklusiv und elitär. Aber im Vergleich zu anderen Plattformen internationaler Beziehungen ist es ungleich inklusiver und gleichberechtigter.

Bob Keohane beschrieb die Internationalen Organisationen der Nachkriegszeit einmal als Clubmodell: Regierungseliten, häufig aus reichen Ländern, treffen sich um im Verborgenen Verträge auszuhandeln.

Dieses Modell hatte den großen Vorteil, dass zwei potentielle Störenfriede draußen blieben: Vertreter anderer Ressorts und die Öffentlichkeit.

Das machte Einigungen einfacher aber auch weniger legitim; ein Grund für die Proteste gegen die WTO und andere Organisationen Anfang der 2000er.

Das Forum ist auch ein Club, aber es verfolgt einen offeneren Ansatz als die traditionellen „Treaty Based“ Organisationen. Auf massive Anti-Globalisierungsproteste reagierte es mit einer breiten Öffnung für zivilgesellschaftliche Organisationen.

Das Forum ist mittlerweile ein Treffpunkt für Gewerkschaften, Vertreter internationaler NGOs, und Vertreter aller großen Religionen. 1999 wurde in Davos von Kofi Annan der Global Compact gestartet, eine Initiative, mit der die UN begann sich Unternehmen zu öffnen.

Klaus Schwab erkannte auch früh die Bedeutung neuer Wachstumsmärkte. Schon 1979 reiste er erstmals nach China. Die lang gewachsene Verbindung mit dem Reich der Mitte ermöglicht heute das vermutlich offenste Wirtschafts- und Gesellschaftstreffen, das dort jährlich abgehalten wird, sowie eine dauerhafte Präsenz in Peking.

1984 traf Indiens Premier Rajiv Gandhi in Genf auf Schwab und europäische Wirtschaftslenker. 1992 kam Mandela zum ersten Mal nach Davos gemeinsam mit de Klerk (er kam 1997 und 1999 zurück). Für all diese Länder war das Forum ein wichtiger Brückenkopf in ihren Bemühungen sich in die globale Wirtschaft zu integrieren.

Eine besondere Herausforderung für das Modell des Forums, aber auch eine besondere Chance, ist der letzte zuvor angerissene Trend: die digitale Vernetzung, und die daraus resultierende Spannung zwischen „Organisation“ und „Individuum“.

Das Forum hat aktiver als die meisten Organisationen reagiert. Es hat sich früh mit social media auseinander gesetzt und ist mit mehr als 2.5 Millionen Twitter Followern, sowie einer starken Facebook und Weibo Präsenz, die bei weitem am stärksten vernetzte IO.

Aber die vielleicht bedeutendste Reaktion auf diese Spannung ist die Öffnung des Forums für die junge Generation. Das Global Shapers Programm hat in kürzester Zeit ein Jugendnetzwerk mit lokalen Gruppen („Hubs“) in mehr als 200 Städten aufgebaut.

Jeder Hub führt sozial engagierte Jugendliche zusammen und bindet sie in das Forum ein. Die Global Shapers Initiative war auch eine Antwort auf die Occupy Bewegung: sie ist eine Plattform für junge Menschen, die für und nicht nur gegen etwas stehen.

Kurz, das Forum hat es geschafft neue Netzwerke in seine Arbeit einzubeziehen, sie zu stärken, anstatt sie zu schwächen. Der Fokus auf Gemeinschaft und Stakeholder-Integration waren dabei wichtige Triebfedern. Die nötige Agilität und Wandlungsfähigkeit aber kann man nur auf den letzten Pfeiler zurück führen: Unternehmergeist.

Ein Gegenentwurf zur trägen Bürokratie

Henry Kissinger ist vermutlich einer der berühmtesten Realpolitiker der jüngeren Geschichte – und er ist ein regelmäßiger Davos Teilnehmer. Wie paßt das zusammen?

Kissinger hat in einem Gespräch mit Klaus Schwab 2012 einmal erklärt: „der Konflikt zwischen Realismus und Idealismus ist ein künstlicher: man muss Realist sein um die Situation einzuschätzen wie sie ist, aber die Welt von dort wo sie ist hinzubewegen wo sie sein soll erfordert Vision und Idealismus“. Kissinger ist „Unternehmer“.

Das Weltwirtschaftsforum ist eine höchst ungewöhnliche Organisation in der Hinsicht, dass an seiner Spitze ein agiler Gründer sitzt, der bis heute seine Geschicke leitet, unterstützt von einem Managing Board und einem Foundation Board.

Geboren in Ravensburg 1938, beschreibt Klaus Schwab die Kriegs- und Nachkriegsjahre als prägend für ein Wertefundament, auf das sich später die Mission des Forums beziehen sollte: “Improving the State of the World”.

Schwab kommt aus einer Unternehmerfamilie, was ebenfalls sehr prägend war. Er studierte schnell und promovierte gleich zweimal berufsbegleitend: 1966 in Maschinenbau in Zürich und 1967 in Wirtschaft in Fribourg; 1966 ging er an die Harvard Kennedy School wo er auf Henry Kissinger und Kenneth Galbraith stieß. Hier entstand sein Interesse an globalen politischen, insbesondere geopolitischen, Themen.

Nach seiner Rückkehr aus den USA wechselte er mit nur 29 Jahren in den Vorstand von Escher Wyss, einem Schweizer Maschinenbauer mit damals 10.000 Angestellten. Dort leitete er die Integration in die heute noch existierende Firma Sulzer.

1970 entstand während einer Teilzeit-Professur an dem jetzigen IMD das Buch “Modernes Management im Maschinenbau”, in dem er die Idee entwickelt, dass Unternehmen nicht nur ihren „Shareholdern“ sondern allen „Stakeholdern“ dienen sollten. Diese Idee reifte in den vergangenen 40 Jahren zu einem umfassenden Global Governance Ansatz.

Der besondere Werdegang Schwabs ist ausschlaggebend für die Unternehmenskultur des Forums: moralische und intellektuelle Integrität und „Entrepreneurship in the global public interest“ sind die zentralen Werte unserer Organisation.

Margaret Mead, Gründerin der Royal Society, hat einmal gesagt, “Never doubt that a small group of thoughtful, committed citizens can change the world. Indeed, it’s the only thing that ever has.” Dieser Satz trifft zu auf die lange sehr kleine – und heute gemessen an den Aufgaben noch immer sehr kleine – Organisation.

Es ist die Idee des politischen Unternehmertums. Es heißt, ein Unternehmer bezieht seine Legitimität aus Ergebnissen, der Politiker aus dem Prozess. Schwab würde sagen: beide müssen sich auf beides stützen – Erfolg und Verantwortung.

In einer sich rapide wandelnden Zeit sind ein Wertekompass gepaart mit unternehmerischer Agilität von zentraler Bedeutung. Und Führung bedeutet nicht sich an die Spitze einer Hierarchie zu setzen, sondern ins Zentrum des Netzwerks.

Dies sind die zentralen Lehren einer vierzigjährigen Erfolgsgeschichte.

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