Ballast abwerfen: Der Blick in die Zukunft führt durch die Linse der Gegenwart. Published in "brand eins", December 2021

brand eins (print edition), Heft 12, Dezember 2021

“Der beste Weg die Zukunft vorherzusagen, ist sie zu kreieren“, so einmal Abraham Lincoln. Und das braucht Vorstellungskraft. Von Propeller bis iPad, Innovation kommt oft als Fiktion in die Welt. Besonders Science-Fiktion offenbart dabei die Spannung zwischen Spiegel und Spekulation; der Blick in die Zukunft führt durch die Linse der Gegenwart.

In den goldenen Nachkriegsjahren wurde das Sci-Fi Epos Star Trek zum Kassenschlager – die Fantasie einer quasi-sozialistischen interplanetaren Föderation. Dann kamen die Krisen der 70er, und Filme wie Alien und Star Wars machten “unendliche Weiten“ zum “Ort, an dem uns niemand schreien hört“.

Ob Squid Game, West World oder Dune, Neuauflagen alter Dystopien entspringen eine Zeit, in der Zukunftsvisionen primär der Feder großer Techkonzerne entspringen, ein gerührter Captain Kirk in der Raumsonde von Jeff Bezos verdeutlicht, dass die Gegenwart bestenfalls eine Betaversion alter Sci-Fi Träume ist, und in der wir unseren Planeten langsam in Dune’s Arrakis verwandeln, nur ohne Spice.

Natürlich sind diese Dystopien nicht nur Elendspornos. Ihre Helden sind Freiheitskämpfer, ihre Missionen oft erfolgreich. Aber die Handlungen selbst spielen immer im “davor“, nicht dem “danach“; Befreiungskino statt Freiheitskino.

Und da liegt die Krux. Zukunft gestalten erfordert nicht nur Imagination sondern auch Kraft sie vom Ballast der Gegenwart zu lösen. Ein Beispiel: die Kunstbewegung, die vor 50 Jahren die AIDS Pandemie nicht nur spiegelte sondern gesellschaftlichen Wandel antrieb. Werden wir ähnlich auf COVID-Kunst blicken?

Und ja, auch heute gibt es Orte, wo Zukunft nicht gleich Zumutung ist. «Afrofuturism» zählt zu den aktuell spannendsten Sci-Fi Genres, und hat mit “Black Panther“ eine faszinierende Sci-Fi Utopie geschaffen.

Wer eine bessere Zukunft will darf das Träumen nicht lassen; und wer sie mitgestalten will darf das Träumen nicht ein paar wenigen über-lassen. Sollen Bezos, Branson und Musk die Raketen zünden; die Regie übernehmen wir.

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